Vision einer projektierten elektrischen Schwebebahn in der Brunnenstraße, hier zur Ecke Stralsunder Straße auf einer 1904 versandten Ansichtskarte, und der Blick aus heutiger Sicht.


Die Einwohnerzahl in der 1871 proklamierten Reichshauptstadt Berlin erreichte sechs Jahre später die erste Million und verdoppelte sich bereits 1905. Mit dem Hobrechtschen Bebauungsplan entstanden neue Siedlungsgebiete. Seit 1865 fuhren die ersten öffentlichen Pferdestraßenbahnen. Die Mobilität auf den Straßen nahm immer mehr zu. Um einen Verkehrsinfarkt abzuwenden, schlug man dem Berliner Magistrat Tief- oder Hochbauprojekte von verschiedenen Privatfirmen für autarke Verkehrssysteme vor. Dabei wurde zuerst der Bau einer Untergrundbahn verworfen, um die ab 1873 erbaute neue Kanalisation nicht zu gefährden. Mit der 1902 eröffneten Hochbahn schuf man sich neue Probleme bezüglich Enge in den oberen Straßenschluchten, Lärmbelästigung und Verschandlung des Stadtbildes. Deshalb setzte sich die damals selbstständige Stadt Charlottenburg beim westlichen Weiterbau der Hochbahn mit einer teureren Tunnellösung durch.
Alternativ favorisierte die „Continentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen“ aus Nürnberg eine freihängende Schienenbahn auf acht Meter hohen Masten, nach dem Vorbild der am 1. März 1901 eröffneten Wuppertaler Schwebebahn. Dazu wurde 1904 eine 42 Meter lange Probestrecke über der Brunnenstraße nördlich dem Rosenthaler Platz errichtet. Diese sollte nach Auftragserteilung weiter über Brunnen-, Bad- und Schwedenstraße bis an die Gemarkung Reinickendorf führen. Zu Werbezwecken für das Projekt verbreitete man illusionierte Ansichtskarten. Gebaut wurde die Luftlinie nicht.
Der nördliche Abschnitt der Gesundbrunnen-Rixdorfer (Neuköllner) Untergrundbahn begann 1912 unter der Brunnenstraße mit den Bahnhöfen Volta- und Bernauer Straße mit ihren einzigartigen runden Mittelsäulen durch die AEG-Schnellbahn AG. Durch die Wirren des Ersten Weltkriegs und die Liquidation 1923 erfolgte der Endausbau durch die Stadt Berlin. Die U-Bahn konnte hier erst am 18. April 1930 als Linie D, heute U8, eröffnet werden.
Text und Fotos: Ralf Schmiedecke, historisches Foto: Sammlung Ralf Schmiedecke, Berlin